Hattingen und Besuch der Henrichshütte 23.08.2023
Chronik der SENU-Ndk
Die Henrichshütte in Hattingen – 150 Jahre Industriekultur
(GB) Bei sommerlichen Temperaturen besuchten 24 Mitglieder der Senioren-Union Niederkassel im Rahmen ihres wirtschafts- und kulturpolitischen Programms das LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen.
Der Gästeführer Lars Friedrich erläuterte fachkompetent und unterhaltsam bei einem Rundgang über das ehemalige Betriebsgelände den Materialfluss von Erz, Koks und Kalk bis zum flüssigen Roheisen. Von den ehemals drei Hochöfen ist heute noch Hochofen 3 aus 1939 erhalten als größtes Exponat im Industriemuseum. Hochofen 2 wurde bis auf Fragmente von einem chinesischen Bautrupp abgebaut und in Hunan wieder in Betrieb genommen. In den 1970er und 1980er Jahren brachte eine Werksbahn diverse Rohstoffe von der Möllerung zum Hochofen 3, wo sie per Aufzug aus dem Möllergraben bis zur Gichtebene des Hochofens gelangten. In der Abstichhalle erfolgte alle 2 Stunden ein neuer Abstich. Das feuerflüssige Roheisen und die Schlacke flossen getrennt voneinander durch Öffnungen in Torpedopfannen, die sich auf der Werksbahn unter der Abstichhalle befanden. Die Teilnehmenden fuhren mit dem Aufzug bis zur Höhe der Gichtebene des Hochofens und genossen von dort einen fantastischen Rundblick über das heut noch beeindruckende Betriebsgelände.
Die Henrichshütte blickt auf eine wechselvolle Geschichte. 1854 errichtete Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode, der zuvor im Harz Hüttenbetriebe besaß, bei dem Bauerndorf Welpe ein modernes Hüttenwerk. Wegen der anfänglichen Skepsis der ortsansässigen Bevölkerung beschäftigte Graf Henrich zunächst Facharbeiter aus dem Harz. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Hütte im Zuge der Industrialisierung einen Boom. Dieser war gekennzeichnet durch die Serienproduktion von Eisenbahnschienen, der Herstellung von Blechen für die Kessel der Dampfmaschinen sowie innovativen Verfahren. Die Übernahme des Werks durch die Firma Henschel & Sohn aus Kassel markierte den Beginn einer neuen Ära. Von 1904 bis 1930 begründete Henschel durch umfassende Investitionen den Ruf der Henrichshütte als Qualitätsstahlwerk.
Nach dem Tod von Henschel 1862 übernahm seine Witwe Sophie den Betrieb und leitete ihn erfolgreich 16 Jahre lang. Neben ihren unternehmerischen Tätigkeiten schuf sie viele betriebliche Sozialeinrichtungen zum Wohle der Arbeiter. Während der beiden Weltkriege wurde die Produktion auf Rüstungsgüter umgestellt. So wurde in der Henrichshütte u.a. der Panzerstahl für das berühmte Schlachtschiff „Tirpitz“ produziert. 1944 führten alliierte Luftangriffe zur fast vollständigen Zerstörung des Werks. In den 1950er Jahren erlebte die Henrichshütte unter neuer Führung eine neue Blütezeit durch die Erzeugung von hochwertigem Stahl in kleinen Chargen für Produkte der Rüstungs-, Nuklear- und Verkehrstechnik. Die Henrichshütte war wesentlich an dem europäischen Raumfahrprogramm beteiligt, beispielsweise mit Ringen für Raketenstufen und 2000 mit der Cupola, dem Aussichtsfenster der ISS.
Als 1987 die Thyssen-Stahl AG die Stilllegung des Werkes verkündete, kam es zum sogen. „Hüttenkampf“. Stahlarbeiter und Hattinger Bevölkerung kämpften gemeinsam – allerdings vergeblich - gegen das Aus der Hütte. 1989 erwarb der Landschaftsverband Westfalen-Lippe den Betrieb mit Inventar und eröffnete nach einer umfassenden Restaurierung in Jahr 2000 das Industriemuseum.
Nach der mittäglichen Stärkung im Restaurant „Poseidon“ hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, die historische Altstadt von Hattingen zu erkunden mit den malerischen Fachwerkhäusern und den engen Gässchen, welche den mittelalterlichen Grundriss nachzeichnen. Mit vielen neuen Eindrücken traten die Senioren die Heimreise an. Wer Interesse an den Aktivitäten der Senioren-Union Niederkassel hat und teilnehmen möchte, kann sich gerne unter der E-Mail-Adresse g.beck@senu-ndk.de beim Vorstand informieren.